Mittwoch, 10. April 2013
31. Kapitel

Seit der endgültigen Trennung von Markus fühlte sich Anita öfters allein. Zwar wohnte sie im Moment noch bei ihren Eltern, doch das war keine Lösung auf Dauer. Die meisten ihrer Möbel waren in der elterlichen Garage eingelagert. Sie hatte sie von ihrem Vater aus der gemeinsamen Wohnung von ihr und Markus abholen lassen. Hans hatte das zusammen mit einem befreundeten Arbeitskollegen erledigt. Anita wollte die Wohnung nicht mehr betreten obwohl Markus nicht da war als ihre Möbel geholt wurden. Zumindest daran hatte er sich gehalten. Auch den Mietvertrag hatte sie ihrerseits zwei Tage nach dem Gespräch mit ihrem Exfreund gekündigt.
Nun wollte sie sich wieder eine Wohnung nehmen und einen neuen Lebensabschnitt beginnen. Es würde schwer werden wieder von vorne anzufangen. Den Verlust ihres Kindes hatte sie überwunden. Zudem war sie bereit eine neue Beziehung einzugehen.
Anitas Eltern waren damit einverstanden, dass ihre Tochter wieder eine eigene Wohnung haben wollte. Sie wussten, dass Anita wieder bereit war für sich selbst zu sorgen.

Wie jeden Samstag in den letzten Wochen las Anita in aller Ruhe die Tageszeitung. Im Wohnzimmer ihrer Eltern hatte sie es sich auf der Couch bequem gemacht. Draußen war es bitterlich kalt und der Holzofen strahlte eine wohltuende Wärme aus. Anita durchsuchte die Wohnungsanzeigen nach einer geeigneten für sich. Sie hatte beschlossen direkt nach Calw zu ziehen. Es war bereits Anfang Dezember. Schon mehrmals war bereits Schnee gefallen. Das war ein weiterer Grund dafür, dass sie in die Stadt ziehen wollte. Dadurch würde sie keinen langen Arbeitsweg mehr haben und gerade am Morgen bräuchte sie nicht so viel Zeit. Es sollte eine 2-Zimmer-Wohnung sein. Drei Annoncen kamen in Frage. Später wollte sie anrufen um sich näher über die Wohnungen zu erkundigen. Zunächst las sie aber noch den Regionalteil. Plötzlich glitt ihr die Zeitung aus den Fingern und fiel auf den Boden. Das bekam ihre Mutter mit und eilte herbei.
"Kindchen, was ist denn passiert?"
Ihre Tochter blickte sie verstört an.
"Mutter", sagte Anita völlig teilnahmslos, "er ist tot".
"Wer ist tot?"
Anita gab keine Antwort. Ihre Mutter hob die Zeitung auf und suchte nach einer Antwort für das Verhalten ihrer Tochter. Schnell hatte sie die Lösung gefunden. Markus war tot. In der Zeitung war ein kleiner Artikel darüber, dass er in seiner Wohnung aufgefunden wurde. Er hatte eine Überdosis Drogen genommen. Es wurde zwar kein Name in dem Artikel erwähnt, doch Gerda wusste sofort um wen es sich handelt.
"Oh mein Gott."
Gerda hielt sich die Hand vor den Mund um ihr Entsetzen zu verbergen. Zwar verabscheute sie den Mann für das, was er ihrer Tochter angetan hatte. Doch seinen Tod hätte sie sich niemals gewünscht. Aufgeregt rief sie nach ihrem Mann. Sie wollte ihn direkt davon unterrichten. Wenig später kam Hans in den Raum.
Anita bekam von alledem nichts mit. Sie war in einer Traumwelt versunken. Noch einmal ließ sie ihr Zusammenleben mit Markus Revue passieren. Es gab schlechte Zeiten und es gab ein paar sehr gute Zeiten. Diese würde sie vermissen und doch war sie auch erleichtert. Der Lebensabschnitt war für sie nun endgültig vorüber. Jetzt konnte sie zum ersten Mal seit langer Zeit wieder weinen. Ihre Mutter nahm sie in den Arm um sie zu trösten.
"Jetzt ist es vorbei - für immer."
"Pscht, meine Kleine, weine dich ruhig aus. Du hast es so lange zurück gehalten."
Markus war tot und sie konnte weiter leben.

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Montag, 8. April 2013
30. Kapitel

Am Wochenende nach dem Mittagessen nahm sie ihren Mut zusammen und fuhr nach Altburg. Ihre Eltern hielten das für keine gute Idee hielten ihre Tochter aber auch nicht davon ab. Schließlich war sie alt genug um zu wissen was sie tat.
Anita hoffte, dass Markus zu Hause war. Sie wollte ein letztes Gespräch mit ihm führen. Einige Dinge mit ihm klären und gleichzeitig lebe wohl sagen. Sie fand, dass es nun an der Zeit dafür war.
Mit gemischten Gefühlen hielt Anita vor dem Haus. Sie hatte immer noch die Schlüssel und benutzte sie nun. Als sie das Treppenhaus betrat und nach oben stieg, beschleunigte sich ihr Puls doch etwas. Vor der Wohnungstür blieb sie stehen und holte ein paar Mal tief Luft. Dann schloss sie die Tür auf und öffnete sie einen Spalt.
"Hallo!"
Keine Antwort.
Sie betrat den Korridor und schloss die Tür hinter sich. Es roch etwas muffig. Anscheinend war schon länger nicht mehr richtig gelüftet worden. Ihr fiel auch sofort die Unordnung auf. Überall standen leere Flaschen herum und Müll lag verstreut auf dem Boden. Das ließ Abscheu in ihr hoch kommen. So etwas war sie von Markus nicht gewöhnt. Früher war er immer sehr ordentlich gewesen.
"Markus, bist du da?"
Immer noch keine Antwort. Stille war in den Räumen.
Sie ging in das Wohnzimmer. Da saß er – zusammengekauert - ein Schatten seiner selbst - mehr oder weniger.
"Hallo Anita", flüsterte er mit dünner Stimme.
"Hallo."
Kälte herrschte in dem Raum. Auch hier herrschte Chaos und Unordnung.
"Komm' setzt dich. Möchtest du etwas zu trinken haben?"
"Danke, das wäre nett“ erwiderte sie aus purer Höflichkeit und setzte sich ans rechte Ende der Couch. Möglichst weit weg von Markus
Bisher hatte Anita nur auf den Boden gestarrt. Jetzt blickte sie kurz in seine Augen. Der Blick wirkte leer und entfernt. Markus wirkte abgemagert.
"Ich bin gekommen um noch einmal mit dir zu reden. In aller Ruhe zu reden."
"In Ordnung. Ich wollte dich auch schon anrufen. Bis jetzt brachte ich allerdings noch nicht den Mut auf. Du warst schneller als ich."
Markus stand auf und verschwand für kurze Zeit in der Küche. Dort hantierte er in einem Schrank, das war zu hören. Wenig später war er wieder zurück. Mit zwei Gläsern und einer Flasche Coca-Cola.
"Ich hoffe Coke ist in Ordnung."
"Ja."
Er schenkte in beide Gläser ein und stellte die Flasche anschließend auf den Boden neben dem Sofa.
"Ich möchte das so schnell wie möglich hinter mich bringen", begann Anita, "darum keine Geheimnisse mehr. Ich weiß du nimmst Drogen."
"Woher weißt du das?"
Markus war doch überrascht. Damit hatte er nicht gerechnet.
"Das tut nichts zur Sache. Ich möchte nur von dir wissen - warum?"
"Wenn ich das so leicht beantworten könnte. Ich bin da so reingeschliddert."
"Das ist nicht zu glauben."
"Lass mich bitte weiter reden. Damals als ich gespielt habe bin ich in ziemlich üble Gesellschaft geraten. Eine Clique hat mich aufgenommen. Wir sind auch öfter in Discos gegangen. Dort nahmen die Jungs harmlose Aufputschmittel, wie sie mir versicherten. Deshalb probierte ich es auch. Es war nicht schlecht. Ich fühlte mich gut dabei. So steigerte es sich immer mehr. Als wir im Urlaub waren bin ich dann ganz ohne Drogen ausgekommen. Also dachte ich, dass ich alles unter Kontrolle habe. Dem war aber nicht so. Dadurch, dass wir die ganze Zeit zusammen waren, war ich abgelenkt, merkte gar nicht was mir fehlte. Dann kam wieder der ganz normale Stress auf der Arbeit. Dem wollte ich dann wieder entfliehen."
Ohne jede Emotion erzählte Markus. Seine Augen warfen einen Blick ins Leere. Fast schien es so, dass er die Gegenwart von Anita gar nicht richtig wahr nahm.
"An dem Abend als es dann eskalierte“, fragte sie dazwischen.
"Da hatte ich schlechtes Zeug erwischt. Ich war an einen Dealer geraten, der die Pillen mit irgendwelchen Mitteln gestreckt hatte. Es war grauenhaft. Mir wurde schlecht und so fuhr ich hierher. Ich wollte nur zu dir. Dann hatte ich plötzlich diesen Aussetzer."
"Du weißt nicht mehr was geschehen ist? Wie du mich halb tot geschlagen hast?"
Anita bekam wieder Wut im Bauch. Ihre Stimme wurde schrill.
"Du hast unser Kind getötet in dieser Nacht."
Das musste endlich in aller Deutlichkeit raus. Lange Zeit hatte sie die Wut auf Markus und was er ihr angetan hatte unterdrückt. Fast wäre sie auf ihn los gegangen konnte sich aber doch beherrschen. Markus duckte sich plötzlich und versteckte seinen Kopf zwischen den Knien unter seinen Armen.
"Bitte, ich will das nicht hören."
"Du wirst es dir aber anhören müssen!"
Anita konnte das Verhalten von Markus nicht ganz verstehen.
"Du zeigst nicht einmal Reue. Alles was du tust ist dich selbst zu bemitleiden."
"Das stimmt nicht. Ich würde alles Menschenmögliche der Welt tun, um das was geschehen ist rückgängig zu machen. Das kann ich aber nicht, Anita."
"Ja, ich verstehe. Du wirst aber auch sicher verstehen, dass ich die Anzeige gegen dich niemals zurück ziehen werde. Für das, was du mir und unserem Kind angetan hast wirst du gerade stehen müssen."
"Das ist mir klar und ich werde die Schuld auf mich nehmen. Zumindest das kann ich tun. Ich werde auch eine Drogentherapie machen."
"Das ist deine Entscheidung."
"Möchtest du die Wohnung behalten. Ich überlasse sie dir."
"Nein, auf keinen Fall werde ich die Wohnung behalten wollen. Hier erinnert mich zuviel an die Zeit mit dir und an das grausame Erlebnis. Meine restlichen Sachen werde ich in den nächsten Tagen abholen. Ich rufe dich an, denn ich wünsche, dass du in der Zeit nicht hier bist. Denn ich möchte dich nie wieder sehen. Hast du mich verstanden?"
"Ja, ist gut."
Anita stand auf und eilte in den Korridor. Markus folgte ihr. Sie drehte sich zu ihm um. Er gab ihr einen Kuss auf die Wange und sagte:
"Lebe wohl. Ich hoffe, dass du wieder glücklich wirst. Vielleicht kannst du mir eines Tages vergeben."
Anita verließ wortlos die Wohnung.
Die Tür fiel ins Schloss. Markus stand ganz allein im Flur. Es war vorbei. Endgültig vorbei.
Markus sah nur noch einen Haufen Scherben vor sich liegen.

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Freitag, 5. April 2013
29. Kapitel

Überstürzt war sie aufgebrochen. Auf dem Weg nach Hause ging Anita alles noch einmal durch den Kopf. Sie konnte noch immer nicht fassen was ihr Elke erzählt hatte. War sie so blind gewesen, dass sie nichts bemerkt hatte? Je länger Anita darüber nachdachte desto logischer wurde ihr aber alles. Das seltsame Verhalten, das Markus manchmal an de Tag gelegt hatte. Jetzt war ihr auch klar wieso er oft alleine unterwegs war und sie nicht dabei haben wollte.
Wie aber war auf die schiefe Bahn geraten? Nach ihrem Urlaub war die Welt doch völlig in Ordnung. Er hatte seine Spielsucht überwunden. Die Zeit war reif für eine gemeinsame Zukunft. Gekrönt wurde das durch ihre Schwangerschaft. Wie sehr hatten sich Beide auf das Baby gefreut, hatten Pläne als Familie geschmiedet. In einer einzigen Nacht wurde dieses Glück zerstört. Nicht durch ein Unglück von Außen, sondern von Innen heraus. Die Erinnerungen an die Schmerzen und Verletzungen kamen in ihr Gedächtnis zurück.
Sie musste auch an ihr verlorenes Kind denken. Tränen stiegen in ihren Augen auf und vernebelten ihren Blick. Beinahe fuhr Anita deswegen in den Straßengraben. Der Schotter am Rand rüttelte sie jedoch wach. Erschrocken zuckte sie zusammen und riss das Steuer nach links. Ihr Herz raste, das Blut pulsierte.
'Meine Güte. Das hätte gerade noch gefehlt, dass ich wegen diesem Idioten in den Straßengraben fahre.'
Wut auf Markus stieg wieder in ihr hoch. Sie wischte sich die Tränen mit dem linken Jackenärmel weg. Aufmerksamer fuhr sie weiter. Stärkerer Regen setzte wieder ein und Anita fuhr etwas langsamer. Laub lag auf der Straße und zusammen mit dem Regen konnte es stellenweise gefährlich rutschig sein. Sie kam dennoch heil in Würzbach an. Ihren Polo parkte sie vor dem Haus auf dem Stellplatz. Im Erdgeschoß brannte noch Licht. Ihre Mutter war also noch auf. Ihr Vater war bei der Arbeit. Er hatte Nachtschicht.
Der Regen wurde immer heftiger und so rannte Anita von ihrem Auto zur Haustür. Den Schlüssel kramte sie nebenher aus der Jackentasche. Sie brauchte ihn aber nicht. Ihre Mutter öffnete ihr die Tür.
"Was ist denn geschehen. Elke hat mich vorhin angerufen. Sie war ganz aufgeregt, hat mir aber nicht gesagt was vorgefallen ist."
"Ich möchte jetzt nicht darüber reden", sagte Anita während sie ihre nasse Jacke auszog.
"Es ist wegen Markus, nicht wahr."
"Bitte Mutter!"
Anita ging direkt in ihr Zimmer. Gerda folgte ihr nicht. Sie hatte begriffen, dass ihre Tochter jetzt nicht mit ihr reden wollte. Wieder einmal. In den letzten Tagen führten sie keine langen Gespräche. Anita weinte sich nicht mehr bei ihr aus. Das beunruhigte sie. Es war nicht gut, wenn ihre Tochter Alles in sich hinein fraß.
Anita schloss die Tür hinter sich ab, da sie unbedingt ihre Ruhe haben wollte. Ihre Mutter wollte sie nicht so anschnauzen, konnte sich bei ihr im Moment aber auch nicht entschuldigen. Dafür war sie immer noch zu aufgebracht.
Sie fasste den Entschluss noch einmal mit Markus zu reden. Was sie ihm sagen wollte, wusste sie bis dahin noch nicht. Das würde Anita erst wissen, wenn sie mit dem Mann sprach, den sie einst geliebt und der ihr so viel Leid zugefügt hatte. Das Gespräch war aber auch überfällig. Nur so konnte sie einen endgültigen Schlussstrich unter die Freundschaft ziehen. Ein Zurück würde es niemals geben. Das stand für Anita fest.

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Dienstag, 2. April 2013
28. Kapitel

Nach zwanzig Minuten Fahrt war Anita schon bei ihrer Freundin in Höfen angekommen. Sie wäre sogar noch etwas eher da gewesen, doch wollte sie bei dem Regen nicht so schnell fahren.
"Komm' herein und mache es dir bequem", wurde sie von Elke begrüßt.
Sie nahm Anita die nasse Regenjacke ab und hängte sie an die Garderobe. Währenddessen zog ihre Freundin ihre Schuhe aus und stellte sie auf eine Kunststoffmatte neben der Tür.
"Eigentlich hatte ich bei dem Wetter keine Lust zu kommen, du hast am Telefon aber so geklungen als hättest du mir etwas Wichtiges zu sagen."
Elke war verlegen. Sie ging ins Wohnzimmer und setzte sich auf die Couch. Anita gesellte sich zu ihr.
"Nun, das habe ich auch. Allerdings was ich dir zu sagen habe wird wenig erfreulich für dich sein - nehme ich an."
"Du tust so geheimnisvoll", erwiderte Anita.
Statt etwas zu sagen stand Elke auf und ging in die Küche.
"Was möchtest du zu trinken“, rief sie.
"Das ist doch jetzt egal. Bring' irgendwas und rede endlich."
Nur widerwillig kam die junge Frau zurück, setzte sich auf die Couch und schaute Anita in die Augen.
"Wenn es nur einfacher wäre. Es wird mit Sicherheit ein Schock für dich sein."
Nun war Anita bis zum platzen gespannt. Den Saft den Elke aus der Küche mitgebracht hatte beachtete sie überhaupt nicht.
"Jetzt rede nicht länger um den heißen Brei herum."
"Also gut. Du weißt ja, dass ich vor kurzem einen jungen Mann kennen gelernt habe. Er heißt Daniel. Nun der hat mir einige Dinge über Markus erzählt. Ich wollte es zuerst nicht glauben und sagte ihm, dass er nur jemand anderes meinen könne."
"Was konntest du nicht glauben?“
Nun fing es auch noch an zu stürmen und der Regen peitschte gegen das Fenster. Das kam Elke nur gelegen.
"Ich muss kurz im Schlafzimmer das Fenster schließen. Bin gleich zurück."
Das konnte Anita nicht fassen. So hatte sie ihre Freundin noch nie erlebt. Sonst konnte Elke gar nicht schnell genug die neuesten Dinge berichten. Sie blickte der Blondine hinterher, die im Nebenraum verschwand. Geräusche waren zu hören.
Es dauerte ziemlich lange bis Elke zurück kam und sich wieder zu Anita auf die Couch setzte.
"Jetzt keine Ausflüchte mehr. Erzähle schon."
Anita packte ihre Freundin an den Armen. So hoffte sie, dass Elke endlich aussprach was sie zu sagen hatte.
"Okay. Daniel hat mir einiges über Markus erzählt. Zuerst wollte ich es nicht glauben."
"Du wiederholst dich. Was hat er dir erzählt?"
Anita wurde langsam richtig ungeduldig.
"Er berichtete mir von der Drogenszene in Pforzheim."
"Drogenszene von Pforzheim? Was hat das mit Markus zu tun?"
"Nun, Daniel hat sich für eine Reportage dort umgesehen. Er ist Journalist, weißt du. Er hat von einer großen Illustrierten den Auftrag bekommen eine Reportage darüber zu schreiben. Nun, darum hat er sich in Pforzheim umgesehen. Er..."
"Das ist doch egal. Weiter."
Es war für Elke nicht schwer zu erkennen, dass ihre Freundin nur das Wesentliche erfahren wollte.
"Bei seinen Nachforschungen hat er Markus getroffen. Hast du gewusst, dass er Drogen nimmt?"
Mit so etwas hatte Anita überhaupt nicht gerechnet. Mit ungläubigen Augen blickte sie ihre Freundin an. Elke machte aber ein sehr ernstes Gesicht.
"Nein, ich hatte keine Ahnung. Was für Drogen?"
"So wie Daniel erzählte, handelt es sich dabei um Ecstasy. Die neue Modedroge ist weit verbreitet. Wie ist Markus da rein geraten?"
"Ich weiß es nicht. So lange ich mit ihm zusammen war ist mir nie etwas aufgefallen. Bis zu dem schrecklichen Geschehnis."
"Nun fügt sich das Puzzle zusammen“, folgerte Elke.
"Das war also der Grund weshalb das alles geschehen ist."
Anita stand von der Couch auf und ging im Zimmer auf und ab. Dabei redete sie mit sich selbst. Dies beunruhigte Elke.
"Ist alles in Ordnung mit dir? Vielleicht hätte ich es dir besser nicht erzählt."
"Nein, es ist schon gut, dass du mir das berichtet hast. Ich muss jetzt gehen."
Geistesabwesend ging Anita hinaus auf den Korridor, zog sich ihre Schuhe und die Jacke an. Elke war ihr gefolgt blieb aber unter dem Türrahmen vom Wohnzimmer stehen.
"So kann ich dich doch nicht gehen lassen."
„Nein, das ist schon in Ordnung. Es ist gut, dass du mir alles erzählt hast. Ein paar Dinge beschäftigen mich nun aber doch. Das muss ich morgen klären. Schade, dass es nur ein kurzer Abend war. Das nächste Mal länger, versprochen.“
Sie blickte sich kurz zu ihrer Freundin um und lächelte ihr zum Abschied zu. Elke verstand den Zusammenhang von Anitas Aussage zuerst nicht. Doch dann begriff sie, was ihre Freundin meinte.
„Mach’ bitte keinen Blödsinn.“
Doch es war zu spät. Ehe Elke ihre Freundin zurückhalten konnte war sie schon durch die Wohnungstür verschwunden. Sie machte sich schwere Vorwürfe. Hoffentlich passierte Anita auf dem nach Hause Weg nichts. Beunruhigt ging sie auf den Balkon. Leider konnte sie nur noch sehen, wie der rote Polo davon fuhr. Vor Kälte zitternd ging sie zurück ins Wohnzimmer.

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Mittwoch, 27. März 2013
27. Kapitel

Es war ein trister Septembertag. Leichter Nieselregen fiel und vereinzelt breiteten sich Nebelbänke aus. Auch die Stimmung im Büro war getrübt. Ein wichtiger Auftraggeber war kurzfristig abgesprungen, was zur Folge hatte, dass es plötzlich nur noch eine Auslastung von etwas mehr als 60 Prozent im Betrieb gab. Das würde auf längere Sicht nicht ohne Folgen für die gesamte Belegschaft bleiben. Jedem war das klar und dementsprechend schlecht gelaunt waren einige Mitarbeiter. Das Wetter trug sein Übriges dazu bei. Jeder war froh als der Arbeitstag zu Ende ging. Die meisten eilten direkt nach Hause. So auch Anita. Für sie war der heutige Tag allerdings noch schlimmer als für andere Menschen. Sie war ins Grübeln gekommen und musste wieder an ihr verlorenes Baby und ihre zerstörte Partnerschaft denken. Das schmerzte sie noch immer. Bei solch’ einem Wetter und schlechten Nachrichten sehnte sie sich nach einem Menschen, der ihr Beistand und Wärme geben würde. Melancholie machte sich bei ihr breit. Ihre Eltern waren zwar für sie da, das war Anita aber nicht genug. Sie wollte wieder einen Partner.
Der einzige Lichtblick des Tages war ein Anruf von Elke gewesen. Ihre Freundin tat geheimnisvoll und drängte sie zu einem Treffen. Darauf hatte Anita bei dem Wetter eigentlich keine Lust. Da Elke aber nicht locker ließ, erklärte sie sich doch bereit nach Höfen zu kommen. Ihre Mutter ließ sie nur ungern gehen, da sie bemerkt hatte, dass ihre Tochter in einer schlechten Verfassung war. Anita widersprach dem und so ließ Gerda, wenn auch mit einem schlechten Bauchgefühl, ihre Tochter gehen.
"Komm' aber bitte nicht so spät nach Hause", sagte sie ihr noch, als sie das Haus verließ.
"Das werde ich bestimmt nicht. Schließlich muss ich morgen zur Arbeit. Also ich will jetzt los, sonst lohnt es sich überhaupt nicht, dass ich gehe."
Anita zog sich gerade noch eine Regenjacke über, da es inzwischen heftiger regnete.
"Okay“, meinte ihre Mutter, die sie bis zur Haustür begleitete, „fahr’ aber bitte vorsichtig bei dem Regen.“
„Das werde ich, versprochen. Du brauchst aber nicht auf zu bleiben bis ich zurück komme. Tschüss Mama.“
Sie schenkte ihrer Mutter noch ein Lächeln ehe sie durch den Regen zu ihrem Auto eilte.
Gerda blieb an der Tür stehen und blickte Anita nach, die in ihr Auto stieg und davon fuhr. Erst als der Polo nicht mehr zu sehen war ging sie wieder hinein.
Sie hatte so ein seltsames Gefühl im Magen. Das machte sie ganz kribbelig. Es lag etwas in der Luft das nichts Gutes mit sich brachte. Gerda hoffte sich zu irren. Doch dem war leider nicht so.

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Sonntag, 24. März 2013
26. Kapitel

Es war an der Zeit aufzubrechen. Anita hatte ein flaues Gefühl im Magen nach fast sechs Wochen wieder zur Arbeit zu gehen. Ihre Mutter sprach ihr für den Tag aber Mut zu. Schließlich wäre sie nicht die Erste, die nach langer Krankheit wieder zu arbeiten beginne. Das brachte Anita aber wenig. Sie machte sich ihre eigenen Gedanken.
Wie würden ihre Kollegen reagieren? Was würden sie fragen? Fühlte sie sich der Situation gewachsen? Diese Gedanken kreisten in ihrem Kopf während der Fahrt nach Calw. Der Übergriff von Markus hatte sie aus der Bahn geworfen und ihr die Selbstsicherheit genommen. Die Musik aus dem Radio nahm sie überhaupt nicht wahr.
Am Freitag hatte sie angerufen und gesagt, dass sie heute wieder käme. Ihr Chef hatte weiter dazu nichts gesagt und meinte nur, dass es in Ordnung ginge.
Sie stellte ihr Auto auf ihrem Stammparkplatz vor der Firma ab. Noch einmal atmete sie tief durch, stieg aus und ging ins Gebäude. Damit sie wenigstens nach außen hin souverän wirkte hatte Anita ihre Lieblingsjeans und einen ihrer besten Pullover angezogen. Darüber trug sie eine Lederjacke. Ihr Puls schnellte nach oben als sie durch die Tür trat.
Jedoch wurde sie freundlich von ihren Arbeitskollegen begrüßt. Es gab keine schiefen Blicke oder peinliche Fragen die ihr gestellt wurden. Erleichterung machte sich bei ihr breit. Ihre direkte Kollegin empfing sie sogar mit einer Umarmung.
„Guten Morgen, Anita. Ist ja toll, dass du endlich wieder da bist. Wir haben dich schon unheimlich vermisst.“
„Das ist lieb von dir, Sandra“, entgegnete Anita, die sich nun ihrem Schreibtisch zuwandte, „Jetzt muss ich mich erst einmal wieder in den Ablauf einfinden“.
„Das wird schon. Nachher bringe ich dich auf den laufenden Stand. Aber zunächst einmal…“
Wie auf Kommando erschienen ihre anderen Kollegen unter der Tür. Joachim, der für die Lohnbuchhaltung zuständig war, hatte einen Geschenkkorb in der Hand. Diesen überreichte er Anita, die vollkommen überrascht war. Verdutzt nahm sie den Korb entgegen.
„Ihr seid allesamt verrückt. Vielen Dank.“
„Das bist du uns wert“, meinte Joachim und streichelte ihr kurz über den Unterarm, zog seine Hand aber sofort zurück, da Anita leicht zusammen zuckte.
Trotzdem lächelte sie Joachim an. Nach und nach ging jeder wieder an seine Arbeit. Kurze Zeit später bat ihr Chef sie zu sich. Er hatte mit seiner Mitarbeiterin ein paar Dinge zu besprechen. Zunächst bedauerte er was vorgefallen war und wünschte ihr für die private Zukunft das Beste. Er konnte den Vorfall nicht nachvollziehen und suchte manchmal fast verzweifelt nach den richtigen Worten. Das machte ihn nur menschlicher und Anita, die nach dem kurzen Telefongespräch vom Freitag nicht wusste was ihr Chef dachte und wie er reagieren würde, war froh darüber.
Sie sprachen dann über den Arbeitsablauf. Dann meinte er, falls es Anita zuviel mit der Arbeit werden sollte, könne sie jederzeit nach Hause gehen.
Das hatte sie nun gar nicht von ihrem Boss erwartet und sagte, dass sie nach Möglichkeit von dem Angebot nicht Gebrauch mache wolle. Sie hoffte, dass sie die Arbeit gut bewältigen würde. Das gefiel ihm und lobte sie noch als sehr zuverlässige Mitarbeiterin. Mit einem guten Gefühl im Bauch verließ Anita das Büro von ihrem Chef.
Es dauerte einige Tage bis sie wieder routiniert die Arbeit bei der Spedition bewältigte und alle liegen gebliebenen Fälle aufgearbeitet hatte. Sandra konnte das Meiste erledigen, doch ein paar Sachen waren liegen geblieben.

In ihrer Freizeit traf sie sich meist mit Elke und unternahm Ausflüge mit ihr. Oft aber machten die beiden Frauen nur kurze Spaziergänge. Es wurde tagsüber nicht mehr richtig warm. Der Winter schien in diesem Jahr sehr früh zu kommen. Auch hatte sie sich mit Tina zum Kaffee getroffen, wie es sich die beiden Frauen vorgenommen hatten. Der Krankenschwester gefiel es wie gut Anita sich wieder fühlte und wie toll sie aussah. Das war auch kein Wunder, hatte Anita doch einige Kilos verloren und trug ihr Haar wieder etwas länger. Sie erzählten beide von ihrer Arbeit und Tina hatte einige Anekdoten zu berichten, die Anita zum Lachen brachten.
Vor kurzem hatte Elke einen jungen Mann kennen gelernt. Sie mochte ihr gut leiden - aber es war keine Liebe. Nach der Enttäuschung, die sie in Freiburg erlebt hatte, war sie in Beziehungsfragen vorsichtig geworden. Sie hatte sich fest vorgenommen sich nicht mehr so schnell zu verlieben und wollte auch das Leben als Single wieder einmal genießen.
Von Daniel erfuhr sie einiges über Markus. Er kannte ihn durch seine Arbeit. Er berichtete Elke Schockierendes über ihn. Vieles hätte sie vermutet, das jedoch nicht. Ihrer Freundin musste sie davon berichten. Bei ihrem nächsten Treffen tat sie das auch.

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Donnerstag, 21. März 2013
25. Kapitel

Nach über drei Wochen Krankenhausaufenthalt konnte Anita nach Hause entlassen werden. Ihre körperlichen Wunden waren weitgehend verheilt – ihre Seelischen dagegen noch lange nicht. Am Tag ihrer Entlassung hatte Tina Dienst. Diese freute sich sehr, dass Anita soweit wieder bei Gesundheit war, dass sie nach Hause konnte. Es war zwischen den beiden Frauen eine gewisse Freundschaft entstanden und Anita versprach Tina von sich hören zu lassen. Sie wollten sich in der Stadt treffen um gemeinsam Kaffee trinken zu gehen. Das würde noch etwas dauern. Im Moment fühlte sich Anita noch nicht dazu im Stande.
Ihre Mutter holte sie ab. Das hatten die Beiden am Vortag besprochen. Überpünktlich erschien Gerda. Glücklicherweise war der Arzt bereits zu einer letzten Visite da gewesen, hatte Anita nochmals untersucht und ihr noch ein paar Ratschläge zur weiteren Genesung gegeben. Jetzt konnte es direkt nach Hause gehen.
Mit einer herzlichen Umarmung verabschiedete sich Tina von Anita. Gerda nahm die Tasche ihrer Tochter. Sie wollte nicht, dass Anita schwer trug. Diese verabschiedete sich noch von den anderen Krankenschwestern die gerade Dienst hatten.
Es war ein regnerischer Septembertag. Es stürmte und ein kalter Wind pfiff um die Häuserecken. Zum Glück hatte Gerda für ihre Tochter eine warme Jacke mitgebracht. Trotzdem holte sie das Auto und hielt gegenüber dem Eingang. Ihre Tochter wartete derweil hinter der Tür. Als ihre Mutter angehalten hatte ging Anita nach draußen, eilte durch den Regen zum Wagen und stieg ein.
„Was für ein mieses Wetter“, meinte Anita sarkastisch, „das passt ja zu meiner Stimmung.“
Auf diese Bemerkung ging ihre Mutter erst gar nicht ein sondern meinte:
"Du wohnst erst mal wieder bei uns.“
"Das ist mir ganz recht. Ich fühle mich immer noch nicht so gut“, erwiderte Anita, „ich habe mein Kind verloren. Das schmerzt am meisten.“
Die Fahrerin musste sich auf den Verkehr konzentrieren und nickte deshalb nur. Gerne hätte Gerda ihre Tochter in den Arm genommen, doch das ging im Moment nicht.
"Es wird noch eine ganze Zeit dauern bis du über den Verlust des Babys hinweg bist."
"Ich werde es nie vergessen."
Die vielen Gespräche mit dem Seelsorger hatten Anita geholfen den Schmerz zu verarbeiten. Langsam kam sie über den Verlust hinweg.
"Vergessen wirst du nie etwas. Es verblasst nur."
„Meinst du wirklich?“
„Ganz sicher, Liebes. Irgendwann wirst du eine glückliche Mutter sein. Davon bin ich überzeugt.“
„Das kann ich mir im Moment leider gar nicht vorstellen.“
Das Gespräch versiegte. Anita blickte durch die Scheibe der Beifahrertür in den Regen. Einzelne Nebelschwaden tauchten auf. Die Umgebung nahm sie gar nicht richtig wahr. Langsam versank sie in ihren Gedanken.
Kurze Zeit später kamen die Frauen in Würzbach an. Gerda parkte auf dem Stellplatz vorm Haus. Zum Glück hatte der Regen etwas nachgelassen. Sie stiegen aus und Gerda holte die Tasche ihrer Tochter aus dem Kofferraum. Schnell gingen die Zwei ins Haus um nicht allzu sehr nass zu werden.
Eine neugierige Nachbarin hatte die Szene beobachtet. Wahrscheinlich würde sie sich bei der nächsten Gelegenheit das Maul darüber zerreißen, was sie soeben gesehen hatte. Anita war das alles egal. Sie wollte nichts weiter als ihre Ruhe haben.

Anita hatte sich auf die Bank in der Küche gesetzt. Erinnerungen an glückliche Zeiten kamen dabei auf. Es tat gut an schöne Zeiten zu denken. Zeiten ohne Verlust und Enttäuschungen.
"Ich mach uns jetzt mal einen starken Kaffee."
"Das ist eine gute Idee", erwiderte Anita, "im Krankenhaus gab es immer nur Tee. Für die nächsten Jahre ist mein Bedarf daran gedeckt."
Gerda musste lachen und auch Anita lächelte.
"Siehst du, du kannst schon wieder lächeln. Es geht dir schon besser."
"Fühlen tue ich mich jedoch noch immer miserabel. Es ist aber schön erst mal bei euch zu sein.“
„Wir haben dich gerne bei uns. Schade, dass das Apartment gegenüber wieder vermietet ist. Es wäre schön, wenn du wieder dort wohnen würdest. Du hättest dein eigenes Reich wenn du dich zurück ziehen wolltest.“
„Wenn es mir noch etwas besser geht möchte ich wieder meine eigene Wohnung. Im Moment aber noch nicht. Nachts, wenn ich alleine bin bekomme ich manchmal Angst.“
Das konnte Gerda glauben. Sie wollte ihrer Tochter aber Mut machen.
"Das wird alles wieder werden, glaube mir. Die Zeit heilt Wunden. "
Anita glaubte es ihrer Mutter.

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Dienstag, 19. März 2013
24. Kapitel

Nach längerem Zögern fasste Anita endlich den Entschluss Anzeige gegen Markus zu erstatten. Ihre Eltern forderten sie mehrmals dazu auf und auch Elke hatte ihr das geraten. Nach dem unangenehmen Gespräch mit Markus fiel ihr es nicht mehr so schwer. Die Liebe die sie einst für Markus empfand war wie weggewischt. Sie hatte sogar das Gefühl, das sie nie existent war. Das machte sie aber auch traurig. War die gemeinsame Zeit eine Verschwendung gewesen?
Zuvor hatte sie gar nicht daran gedacht etwas gegen Markus zu unternehmen. Anita wollte nur noch ihre Ruhe vor ihm haben. Wie sich heraus stellte hatte ihr Vater schon alles Notwendige in die Wege geleitet. Es lag nun schon bereits eine Strafanzeige gegen Markus vor. Anita musste aber noch ihre Aussage zu Protokoll geben, damit die Anzeige der Staatsanwaltschaft Tübingen übergeben werden konnte.
Am Montagnachmittag kamen ihre Eltern mit einem Polizeibeamten vorbei. Dieser sollte ihre Aussage protokollieren.
„Wenn es auch schmerzhaft ist. Ich muss Ihnen die Fragen stellen“, meinte Polizeibeamter Maier während des Gesprächs mit Anita.
Beide saßen an dem Tisch im Krankenzimmer. Der Beamte hatte ein Diktiergerät mitgebracht mit dem er die Aussage von Anita aufzeichnete. Zudem machte er sich einige Notizen auf einem Schreibblock. Während sie mit dem Polizisten redete waren ihre Eltern anwesend. Gerda hatte sich auf das Bett gesetzt und ihr Vater lehnte an der Fensterbank. Beide hörten gut zu und waren manchmal entsetzt über die Worte ihrer Tochter. Für Anita war es gut jemanden Vertrautes in der Nähe zu haben.
Wieder und wieder stellte der Polizist ihr dieselben Fragen. Wieder und wieder musste Anita die schrecklichen Erlebnisse erzählen. Sie wurde nervös und es strengte sie an. Angespannt saß sie auf dem Stuhl und hatte ihre Hände zwischen die Beine geklemmt.
Schließlich wurde es ihrem Vater zuviel und verlangte von dem Beamten, dass er seine Tochter nicht noch länger quälen solle. Der Polizist machte noch ein paar letzte Notizen auf dem Block. Dann wand er sich Hans zu.
„Ich verstehe ihren Ärger, Herr Schmidt. Ich muss diese Fragen aber stellen. Es ist eine schwerwiegende Anschuldigung die ihre Tochter macht.“
Dann wandte er sich wieder Anita zu.
„Es ist schmerzlich für sie. Das verstehe ich gut. Da sie aber wollen, dass ihnen Gerechtigkeit widerfährt musste ich ihnen diese unangenehmen Fragen stellen.“
Das Erzählen hatte Anitas Gefühle komplett durcheinander gewirbelt und sie fing wieder an zu weinen. Es war zum Glück jemand da, der sie tröstete. Gerda stand vom Bett auf, ging zu ihrer Tochter hin und legte ihr den Arm auf die Schulter.
Der Polizist stand auf packte seine Sachen zusammen und verabschiedete sich dann förmlich von den Dreien. Für ihn war es eine Routinearbeit und er blieb ziemlich emotionslos.

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Sonntag, 17. März 2013
23. Kapitel

Auch Markus kam sie besuchen. Das war im September. Anita war nicht erpicht darauf ihn zu sehen, konnte es aber auch nicht verhindern. Er kam mit einem bunten Strauss Blumen in ihr Zimmer, doch von Anfang an herrschte eine eisige Kälte zwischen den Beiden. Von der einstigen Liebe war nichts geblieben. Anita verspürte nur Abscheu für Markus. Die Blumen beachtete sie weiters gar nicht. Sie bat ihn sie auf den Tisch zu stellen der in der Ecke stand. Eine Vase hatte er bereits von draußen mit rein gebracht. Er verschwand für kurze Zeit in dem kleinen Bad das in der linken Ecke lag. Wasserrauschen war zu hören. Dann kam er zurück. Die Vase mit dem Strauss darin stellte er auf den Tisch.
Dabei beobachtete Anita ihn argwöhnisch. Ihr viel auf, wie ungepflegt Markus aussah. Das passte gar nicht zu ihm. Sein blondes Haar hing in fettigen Strähnen herab und er hatte sich schon länger nicht mehr rasiert. Das karierte Hemd, das er trug, war verknittert. Sie wand den Blick von ihm ab, bevor er sich zu ihr umdrehte.
Ein Gespräch kam nicht in Gang. Anita starrte aus dem Fenster ohne etwas wahrzunehmen und Markus stierte auf den Boden.
Er brach schließlich das Schweigen:
"Ich weiß nicht was in jener Nacht über mich gekommen war."
"Ich denke das weißt du sehr genau", fauchte Anita.
Markus sah erschrocken hoch. Tötente Blicke trafen seine Augen. Solch' einen Hass hatte er in Anitas Augen noch nie gesehen.
"Weißt du überhaupt was du angerichtet hast!"
Zornesfalten machten sich auf ihrer Stirn breit. Wieder schaute sie aus dem Fenster. Sie konnte seinen Anblick nicht ertragen. Es tat weh.
"Du hast unser Kind umgebracht", endete sie.
"Das ist nicht wahr. Sag, dass das nicht wahr ist."
Es klang nicht sehr überzeugend wie Markus das sagte. Selbst Anita fiel das sofort auf. Das machte sie nur noch ärgerlicher.
"Es ist aber so", schluchzte sie.
Wieder kam das Schweigen. Es hielt lange an. Wieder war es Markus der dem eisigen Schweigen im Raum ein Ende bereitete.
"Ich weiß nicht was ich tun kann um das je wieder gut zu machen."
"Nichts kannst du tun um das je wieder ungeschehen zu machen."
Das Schluchzen der Frau ging in Weinen über. Markus stand da und wusste nicht was er tun sollte. Anita rannen die Tränen übers Gesicht. Mit ihrer rechten Hand wischte sie sich über die Augen. Er wäre gerne zu ihr hingegangen und hätte sie in den Arm genommen. Er wollte sie trösten, ihr sagen wie unendlich leid es im tat was geschehen war. Doch das traute er sich nicht. Zu schlimm war die Erinnerung an jene Nacht in seinem Kopf. Bis heute konnte er selbst nicht verstehen was über ihn gekommen war.
Um seine Freundin vielleicht nicht für immer zu verlieren musste er ihr die ganze Wahrheit über sich beichten. War das die Lösung?
Während er noch überlegte was er nun tun sollte oder was zu sagen wäre, klopfte es an der Tür. Anitas Eltern betraten das Krankenzimmer. Sie erblickten Markus der mitten im Raum stand.
"Verlass' auf der Stelle das Zimmer", harschte Anitas Vater Markus an.
Dieser verließ fluchtartig den Raum ohne auch nur noch ein weiteres Wort zu sagen. Anita bekam davon nicht viel mit. Sie weinte noch immer und starrte teilnahmslos aus dem Fenster.
Gerda ging eilig zu ihrer Tochter hin und nahm sie in den Arm. Die Frau wollte ihr Trost spenden. Sie spürte wie Anita am ganzen Körper zitterte. Nur langsam beruhigte sich ihre Tochter.
"Du solltest diesen Kerl anzeigen", meinte Hans.

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Donnerstag, 14. März 2013
22. Kapitel

Als Anita das nächste Mal erwachte wusste sie nicht wo sie sich befand, wie spät es war und was geschehen war. Die Frau fühlte eine Leere in sich, wie sie sie noch nie gefühlt hatte. Sie konnte wieder einigermaßen gut sehen. Langsam realisierte Anita, dass sie in einem Bett lag. Vorsichtig hob sie den Kopf an und drehte ihn nach rechts. Das tat etwas weh. Ein Fenster war zu sehen, ein Bild an der weißen Wand – mehr nicht. Dann drehte sie den Kopf nach links. Da stand ein Schrank und es gab eine Tür. Sie war offensichtlich allein in dem Raum. Wenig später öffnete sich eben jene Tür und eine Frau in weiß gekleidet kam zu ihr ins Zimmer. In dem Moment wurde Anita bewusst, dass sie wohl in einem Krankenhaus lag.
Mit einem Lächeln trat die Krankenschwester an das Bett und sagte:
"Willkommen zurück aus dem Land der Träume."
"Was ist passiert", fragte Anita mit leiser zittriger Stimme.
"Das wird ihnen später der Arzt sagen. Versuchen sie noch auszuruhen. Das haben sie dringend nötig."
Dagegen hatte Anita nichts. Sie war immer noch benebelt und es dauerte nicht lange bis sie wieder schlummerte. Sie hatte noch nicht einmal den Infusionsschlauch an ihrem linken Arm bemerkt.
Viel später wurde sie wieder durch ein Geräusch wach. Es war eine andere Schwester im Raum. Auch diese begrüßte sie nett.
"Ich habe solch einen Durst", brachte Anita mühsam hervor.
"Das glaube ich gerne. Fast den ganzen Tag haben sie geschlafen. Ich richte sie ein wenig auf."
Die Schwester machte sich an dem Bett zu schaffen in dem Anita lag.
"Ist es so gut?"
"Ja, das ist gut. Kann ich bitte etwas zu trinken bekommen."
"Ich hole Ihnen einen Becher. Laufen sie mir bitte aber nicht weg."
Die Schwester entfernte sich mit einem leisen Lachen.
"Das werde ich bestimmt nicht."
Dem Scherz konnte Anita in ihrer Situation nur wenig abgewinnen.
Schon wenig später war die Frau in Weiß mit dem Becher zurück.
"So, hier bringe ich schon Ihr Wasser. Langsam in kleinen Schlucken trinken."
Anita tat, was ihr befohlen wurde. Als der Becher ihre Lippen berührte spürte sie einen Schmerz. Es tat aber gut zu trinken. Sie hatte so einen trockenen Mund gehabt, doch nun war es besser. Das Sprechen fiel ihr leichter.
"Was ist passiert? Warum bin ich hier? Wer sind Sie?"
"So viele Fragen auf einmal. Sie sind aber ein neugieriges Ding. Nun ich bin Schwester Mary. Für die anderen Fragen hole ich Ihnen Doktor Bauer. Einverstanden?"
"Mir bleibt wohl keine andere Wahl."
"Wohl kaum."
Wieder entfernte sich die Schwester mit einem Lächeln. Die Frau schien ein sehr sonniges Gemüt zu haben. Anitas Gehirn begann zu arbeiten. Langsam kamen die Erinnerungen zurück. Sie wusste wieder, dass Markus nach Hause gekommen war, sie geschlagen hatte.
Doch dann - nur noch schwarz.
Sie war so in ihre Gedanken vertieft, dass Anita gar nicht merkte wie sich ein Arzt an ihr Bett setzte.
"Hallo, ich bin Doktor Bauer."
Die Frau zuckte leicht zusammen. Ein grauhaariger Mann saß auf der Bettkante.
"Oh, ich wollte sie nicht erschrecken."
"Ich war in Gedanken vertieft. Das ist nicht schlimm."
Der Arzt entschuldigte sich noch einmal und begann dann eine lange Unterhaltung mit Anita. Während des Gespräches wurde Anita immer ruhiger und entsetzter. Sie wollte einfach nicht glauben was sie zu hören bekam.
"Nach allem, was ich ihnen nun erzählt habe, sollten sie trotzdem versuchen zu schlafen. Das wird in ihrer Lage mit Sicherheit nicht einfach sein. Versuchen sie es trotzdem. Ruhe ist im Moment das Wichtigste."
"Das werde ich", brachte Anita gerade noch hervor. Tränen rannen über ihr Gesicht.
Der Arzt drückte leicht ihre Hand stand auf und entfernte sich.
Anita hörte noch wie er zu Schwester Mary sagte, sie solle sich besonders um Anita kümmern.
Später schlief sie dann ein. Nachdem sie erneut erwachte war wieder eine andere Krankenschwester da. Sie stellte sich als Tina vor.
Es gab etwas zu essen. Anita aß zwar nicht viel, fühlte sich danach aber wieder kräftiger.
So vergingen die nächsten Tage.
Ihre Eltern kamen sie besuchen und auch Elke schaute vorbei. Wann das genau war wusste sie später nicht mehr.

Gerda rannen Tränen übers Gesicht als sie ihre Tochter im Krankenbett liegen sah und auch ihr Vater, sonst eher ein fröhlicher Typ, machte eine besorgte Miene.
Für Anita war es ein Trost ihre Eltern bei sich zu haben. Hans hatte sich auf einen Stuhl gesetzt, den er an das Bett heran gezogen hatte. Gerda dagegen saß auf dem Bett und hielt die ganze Zeit über Anitas Hand.
„Warum nur hat er das getan?“
„Ich weiß es nicht Mama. Er schien in der Nacht nicht er selbst gewesen zu sein.“
„Wieso. Ich kann das nicht begreifen. Du bist so ein gutes Kind, hast nie jemanden etwas Böses getan“, schluchzte Gerda.
„Es wird wieder werden“, meinte Hans.
Er stand auf und legte seine Arme auf die Schultern seiner Frau. Sie zitterte am Körper.
Anita war von dieser Szene ihrer Eltern berührt. Auch ihr liefen die Tränen übers Gesicht. Ohne jede Emotion sagte sie dann:
„Ich habe mein Baby verloren.“
Darauf waren ihre Eltern nicht gefasst und reagierten geschockt. Hans musste sich setzen und Gerda brach fast zusammen. Beide hatten sich so sehr auf das Enkelkind gefreut. Nur langsam konnte sich die Familie wieder beruhigen.
So sehr sie sich auch darüber freute, dass ihre Eltern bei ihr waren, es strengte sie an. Das merkten die Beiden auch und verabschiedeten sich bald darauf.

Anita kam wieder auf die Beine und machte kurze Spaziergänge über die Flure der Station auf der sie lag. Es ging ihr von nun an von Tag zu Tag besser. Den Verlust ihres Kindes verarbeitete sie nur langsam. Der Krankenhausseelsorger besuchte sie fast jeden Tag und sprach mit ihr. Das tat gut, bereitete aber gleichzeitig auch Schmerzen. Mit den Schwestern der Station freundete sich Anita an. Besonders die rothaarige Tina mochte sie. Über die Scherze die Krankenschwester Mary machte konnte sie nicht lachen. Die Frau meinte es sicherlich gut und wollte sie damit aufmuntern. Das funktionierte leider nicht. Die Zeit verging. Es war Herbst geworden.

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